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Ich freue mich, dass Sie meine Seite gefunden haben.
Ob sie beim Lesen Freude macht, weiß ich nicht,
es kommt darauf an.
Ich wünsche jedenfalls ein erholsames Betrachten.
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Ἦρος ἄγγελος ἱμερόφωνος ἀήδων
Sappho 6.Jh.v.Chr. (Des Frühlings Botin mit sehnsuchtsvoller Stimme die Nachtigall)

Donnerstag, 7. Juli 2011

diario III

Als ich Zeit hatte, 
das heißt nach meiner Pensionierung, 
gab ich den ersten Teil meiner Tagebücher, 
von 1962 - 1968, als Buch heraus 
und schenkte es an Freunde.
Hier nun das dritte der "blauen Bücher"

III                                           21.VI.63

Aber erweckten sie uns, die unendlich Toten, ein Gleichnis,
siehe, sie zeigten vielleicht auf die Kätzchen der leeren
Hasel, die hängenden, oder
meinten den Regen, der fällt auf dunkles Erdreich im Frühjahr.
                                    Rilke, 10. Duineser Elegie

Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht
Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht;
Doch ist mir einst das Heilge, das am
Herzen mir liegt, das Gedicht, gelungen,

Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt!
Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel
Mich nicht hinabgeleitet; einmal
Lebt ich, wie Götter, und mehr bedarfs nicht.
                                               Hölderlin

                                               26.VI.63
              Angst
Mond steigt langsam wie gefangen
hinter schrägen Gittern abwärts
in den weiten Turm der Wolken...

Lange bleibt sein Rücken
in den vagen Fenstern....

Gleitet weich wie Eiweiß
durch die Wolkenzähne...

                                               Bonn 5.9.63
Eine Erkenntnis, eine Erfahrung muss in den schwersten Augenblicken weiterhelfen: dass alle Zustände des Lebens vorübergehen. Man muss die Stunden der Nacht einfach durchwarten. Meistens sind die Ursachen, die eine Wende bringen, so unscheinbar, dass man meint, diese vollziehe sich von selbst. Im Augenblick bin ich so ziel- und nutzlos, so unfähig und so leidend allein - Sicher: es wäre eine große Hilfe, wenn ich mit jemandem zusammen sein und auch nur über Alltägliches sprechen könnte, oder wenn ich gar eine tiefere Beziehung oder die tiefste zu einem andern hätte. Aber ist das nicht in jedem Fall etwas Unsicheres, wenn man sich auf Menschen stützt? Es müsste doch möglich sein, ganz in sich zu stehen oder sich in Systeme einzubauen, die unwandelbar sind und einen immer tragen. Es ist schwer zu leben und ich muss oft an den einen Gesichtszug Beethovens denken: die untere Lippe stark gegen die obere zu stemmen.

die Dinge dringen kalt in die Gesichte
und reißen sich der alten Bindung fort,
es gibt nur ein Begegnen: im Gedicht
die Dinge mystisch bannen durch das Wort.
                                               Gottfried Benn

Einfach zu arbeiten und zu leben, ohne nach dem Ziel und dem Wert zu fragen, das wird meine Aufgabe sein. Ich fange oft eine Arbeit mit sehr viel Eifer an, aber bald drängen sich Zweifel und Fragen auf, ob das denn überhaupt Sinn habe, was ich gerade tue, und meistens lege ich dann das gut Angefangene weg. Ich muss einsehen, dass das Arbeiten das Wichtige ist; was der Augenblick bietet und fordert, muss getan werden, so gut wie möglich. Der Wert der Arbeit und das Ziel des Lebens darf mich nicht bekümmern, denn an welchen Maßstäben sollte ich denn dies absehen. Der Mensch kann keinen Grund und kein Ziel für sein Dasein finden. Wir sind eben nicht notwendig hier, wir sind nur Ephemere.                                          

 9.9.63
              Aufstieg 
Tief ins Blau verzogen,
Dunst, entstiegen dem Tiefland
Gierig von der Sonne aufgesogen,
verdichtet zur Wolke:
du , Tantalos,
Wanderer im Zwischen,
getrieben vom mächtigen
Ringstrom des Westwinds
Tief ins Blau verzogen,
Dunst, entstiegen dem Tiefland,
Du, Tantalos, dunkler Rand
von Blau und Grün, eingesogen:

Wein der Sonne, lichte Poren
füllst du dunkel aufwärts
ihre Strahlen weithin zeigend.-
Du, früh zur Wolke geboren,

Endlich zur Wolke verdichtet
wanderst zwischen sieben
hin und eins, aufgeschichtet
zwischen Ruhenden 
- sind's Götter, Tiere? -
du, getrieben 
im Ringstrom des Winds.
                                              
<Un homme qui renonce au monde se met dans la condition de le comprendre.>
                                               Valéry sur Mallarmé
< La Beauté, c'est la mort, ou du moins quelque chose d'analogue; nuit blanche, inhumaine, semblable au ciel étoilé, dont les innombrables diamants brillants, inutiles et vains, et dont la beauté terrestre, symbolisée par Hérodiade, n'est que le pâle reflet, prêt à s'éteindre au premier contact, car elle n'existe pour ainsi dire que par son parfum qui la vêt comme un calice>                         Michaud <Mallarmé> 

 continua! weiter!